Heute war es soweit: Ich musste all meinen Mut zusammennehmen und bei der Arbeit anrufen. Es fiel mir wirklich schwer. Einige Tage zuvor hatte ich mit einigen Freunden und Bekannten über mein Problem gesprochen. Sie hatten mich in meinem Denken bestärkt und mir einige Tipps gegeben. Der erste Tipp war, dass ich anrufen sollte, wenn es für mich richtig erscheint, ohne mich auf eine bestimmte Zeit festzulegen. Obwohl es mir schwerfiel, war ich der Meinung, dass ich in meinem Vorhaben etwas freier war und selbst entscheiden konnte, wann es losgeht und wann der richtige Moment ist.
Sie empfahlen mir auch, zur Stärkung während des Mittagessens ein kleines Bier zu trinken. Dies würde nicht nur die Stimmung verbessern, sondern auch die Hemmungen senken. Natürlich sollte man diesen Tipp mit Vorsicht genießen, da man sonst seine Ängste ignorieren und seine Probleme nicht bewältigen würde. Alkoholkonsum ist bei solchen Dingen auch nicht unbedingt empfehlenswert, insbesondere wenn man nicht sehr willensstark ist. Wenn man Probleme mit Alkohol hat, sollte man es besser lassen. Mir hat tatsächlich ein Bier beim Mittagessen geholfen, meine Hemmungen zu senken.
Ich habe mehr als sechs Versuche gebraucht, um meine Chefin anzurufen: Das Smartphone in die Hand nehmen, meine Chefin in der Kontaktliste suchen und den Anruf starten. Das klingt zwar einfach, ist aber schwierig, wenn man seit zehn Monaten keinen Kontakt mehr hatte. Aber warum brauchte ich sechs Versuche, wenn es nur drei waren? Dazu komme ich jetzt.
Nachdem ich meine Chefin angerufen und das Hamburger Modell vorgeschlagen hatte, musste ich meine Bezirksleitung anrufen. Dies ist die Person, die für die Märkte in der Umgebung zuständig ist und eine Position über meiner Marktleitung hat. Auch dieser Anruf erforderte eine Menge Mut, da ich diese Frau nicht kenne und nicht weiß, wie sie tickt. Auf der anderen Seite kennt sie mich natürlich auch nicht, da sie gerade erst in unsere Abteilung gewechselt ist. Wir sollten also beide vorurteilsfrei sein… Hoffe ich zumindest.
Auch hier verlief das Gespräch relativ unspektakulär, und ich fragte mich: „Warum hast du nicht schon früher angerufen?“ und „Warum hast du so lange davor Angst gehabt?“ Aber das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Wenn man depressiv ist, scheint alles scheiße zu sein, und jeder scheint böse zu sein. Ich bin immer noch in der Lernphase, dies endgültig abzulegen.
Mein Wunsch, das Hamburger Modell mit zwei Wochen à zwei Stunden, einer Woche à drei Stunden und einer Woche à vier Stunden zu beantragen, wurde von der Bezirksleitung genehmigt. Jetzt muss ich den Antrag bei meinem Arzt stellen und ihn dann meinem Arbeitgeber vorlegen. Erst nach Genehmigung durch die Krankenkasse und den Arbeitgeber kann ich arbeiten gehen. Bis dahin können jedoch einige Wochen vergehen.